So., 11.05.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Großbritannien: Der lange Arm Chinas 5e6j5t
Chloe Lo kommt nach ihrer Ausreise aus Hongkong nach Großbritannien nicht an ihr Erspartes ran – weil China ihr Ausreisevisum nicht anerkennt. Sie ist Aktivistin gegen China und setzt sich in London für politische Gefangene und Freiheitrechte in der ehemaligen Kronkolonie ein. Auf ihre Freundin Chloe Cheung hat die Hongkonger Polizei sogar ein Kopfgeld ausgesetzt. Die beiden Frauen spüren den langen Arm von China. Die Volksrepublik übt massiven Druck auf Dissidenten in England aus. 150.000 Hongkonger waren 2021 nach Großbritannien geflohen. Der damalige Premier Boris Johnson ermöglichte ihnen die Einreise. Von der neuen Labour-Regierung fühlen sie sich jetzt im Stich gelassen, denn die will gute Handelsbeziehungen zu China. Das spiegelt sich auch im geplanten Neubau der chinesischen Botschaft in London. Es soll die größte Vertretung in Europa in einem historischen Gebäude mitten in London werden, die finale Genehmigung steht noch aus. Deshalb demonstrieren die Dissidenten aus Hongkong gegen die "Mega-Embassy". Für sie ist sie zum Symbol für den wachsenden Einfluss von China geworden. 2s3l1a
Kopfgeld auf Exil-Hongkonger 3dl
Auf Chloe Cheung hat die Polizei in Hongkong ein Kopfgeld ausgesetzt. Chloe Lo kommt nicht an ihr Erspartes ran, die chinesischen Behörden verhindern dies. Die beiden Frauen spüren Chinas Macht – mitten in London. Beide sind aus Hongkong hierher geflohen, suchen Schutz. "China hat seinen langen Arm hierher ausgestreckt", sagt Chloe Cheung. "Sie wollen uns zum Schweigen bringen. Mit dem Kopfgeld fordern sie andere auf, mich zu entführen und zur Botschaft zu bringen." Und Chloe Lo meint: "Im ersten Jahr, als ich hier angekommen war, da konnte ich noch nicht einmal die Rechnung für die Heizung zahlen. Du musst dein Leben völlig neu aufsetzen."

In den Jahren 2019 und 2020 gingen Hundertausende in Hongkong auf die Straße. Sie protestierten für die Pressefreiheit, für die Redefreiheit, für Bürgerrechte. Für viele war schnell klar: Der zunehmende Einfluss Pekings wird unumkehrbar sein. 150.000 Menschen flohen allein nach Großbritannien. Chloe Cheung arbeitet seit ihrer Flucht für eine Nicht-Regierungs-Organisation, die sich für politische Gefangene und für Menschenrechte in Hongkong einsetzt. Deswegen hat die Polizei sie ins Visier genommen. Im Fahndungsaufruf im Netz wird ihr vorgeworfen, die Abspaltung Hongkongs von China zu unterstützen. Für Hinweise, die zu ihrer Ergreifung führen, zahlt die Hongkonger Polizei über 100.000 Euro. "Ich war schockiert. Ich war verängstigt. Ich bekam Nachrichten von Freunden, die sagten, entschuldige bitte, Chloe, aber wir können nicht in Kontakt bleiben, nach dir wird gefahndet. Das ist zu riskant für mich und meine Familie."
Kritik an China könnte den Handel gefährden 4262n
Auch in London muss Chloe Cheung immer aufen, mit wem sie sich trifft. Sie kommuniziert nur über verschlüsselte Dienste, wechselt oft den Arbeitsweg. Sie befürchtet: der Einfluss von China könnte immer größer werden. Hier mitten in London hat der chinesische Staat eine Riesen-Immobilie gekauft. Die ehemalige Münz-Prägeanstalt. Das Gebäude soll die neue Vertretung Chinas beherbergen. Das größte Botschaftsgebäude in Europa. Es gibt viele kritische Stimmen zur Botschaft. Doch die Regierung ist darauf bislang nicht eingegangen. Sie tut sich schwer damit, China zu kritisieren oder gar in die Schranken zu weisen. Das Reich der Mitte ist ein bedeutender Handelspartner. Premier Keir Starmer hofft auf Investitionen.

Die britische Wirtschaft braucht Geldgeber. Und so baut China seinen Einfluss weitestgehend ungestört aus. Das spürt auch Chloe Lo. Sie hat knapp 70.000 Euro in einem Pensionsfonds der britischen Bank HSBC in Hongkong angespart – und kommt jetzt nicht mehr an das Geld ran. "Ich bin zur HSBC gegangen und habe gesagt, ich möchte mein Geld haben. Da sagte der Mitarbeiter, die chinesische Regierung erkennt die Pässe, die die Briten uns ausgestellt haben, nicht an, deswegen können sie nicht auszahlen." Weil China Druck ausübt, fehlt Chloe Lo das Geld für den Neuanfang im Vereinigten Königreich.
Natalie Bennett ist Grünen-Politikerin und sitzt im Oberhaus. Sie fordert die Bank auf, eine Lösung zu finden. "Die sollten mal kreativer sein und Wege finden, das Problem zu lösen. Banker erfinden alle möglichen komplexen Finanzprodukte, um Geld rund um die Welt zu verschieben. Die HSBC sollte es hinkriegen, dass die Leute an ihr Geld kommen." Auf Anfrage teilte die Bank mit, die HSBC halte sich schlicht an Hongkonger Gesetze. China setzt seine Position vehement durch – was auch ein Zwischenfall am chinesischen Konsulat in Manchester im Jahr 2022 belegt. Damals demonstrierten Dissidenten vor der Vertretung, Mitarbeiter des Konsulats rissen Banner nieder. In dem Handgemenge wurde ein Demonstrant offenbar auf das Gelände des Anwesens gezerrt. Die englische Polizei konnte ihn befreien. Der Fall sorgte für großes Aufsehen. War dies ein Entführungsversuch? Auf jeden Fall eine massive Einschüchterung.
Protest gegen die chinesische "Mega-Botschaft" t3t5l
Nigel Inkster war Direktor für Einsätze des britischen Geheimdienstes MI6. Er kennt das Spiel um Macht, Einfluss, Kontrolle sehr gut und weiß, wie schwer es ist, dagegen vorzugehen: "Eine Stadt wie London ist voll mit Leuten, die Dinge tun, die die Regierung nicht will. Das ist eine offene Gesellschaft und ausländische Akteure sind hier in unterschiedlicher Art und Weise aktiv. Manchmal im Rahmen des Gesetzes und manchmal eben nicht. Um das abzuwehren, gibt es leider nur begrenzte Ressourcen." Also versuchen die britischen Sicherheitskräfte, das Schlimmste abzuwenden. Gleichzeitig sieht er im Fall von China den Konflikt von wirtschaftlichen und Sicherheitsinteressen.

Für viele Hongkonger ist das ein schwacher Trost. Sie demonstrieren weiter gegen die neue "Mega-Botschaft" im Zentrum von London. Noch hat die britische Regierung die Genehmigung nicht erteilt. Auch Chloe Lo ist gekommen, sie unterstützt die Organisatoren als Erst-Helferin. Chloe Cheung denkt nicht daran, aufzugeben. "Wenn diese Pläne durchgehen, werden sie noch mehr Ressourcen haben, mehr Platz, mehr Personal, um uns ruhig zu stellen." Dagegen wehren sie sich. Sie werden laut und hoffen, dass sie auch gehört werden, damit sie sich eines Tages im Vereinigten Königreich sicher fühlen können.
Autor: Christoph Prössl, ARD-Studio London
Stand: 12.05.2025 14:42 Uhr
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