So., 11.05.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Indien: Wenn der hohe Goldpreis zum Problem wird 552k5p
Eine Hochzeit in Indien – ein Fest der Farben, der Musik, der Tradition. Und vor allem: ein Fest des Goldes. Doch unter dem Glanz verbirgt sich aktuell eine stille Krise. Der Goldpreis ist auf ein Rekordhoch gestiegen. Was einst Zeichen von Wohlstand war, wird für viele Familien zur finanziellen Herausforderung. Denn die traditionell üppigen indischen Hochzeiten sind an sich schon teuer. Die Mitgift der Braut wird zu großen Teilen in Goldschmuck geleistet. Armreife, Ketten, Ohrringe: das ist das Vermögen, dass die Braut einbringt und ursprünglich als finanzielle Absicherung der Braut galt, falls der Mann stirbt oder die Ehe scheitert. Mit dem hohen Goldpreis wird dieser Teil der Mitgift teilweise unerschwinglich. 52536
Keine Hochzeit ohne Gold 4b2k2b
Die Familie hat jahrelang auf diesen Moment gespart. In Indien wird selbst in einfachen Verhältnissen groß gefeiert. So will es die Tradition. Vor allem mit Gold, viel Gold. Ohne Gold – keine Hochzeit. "Es war sehr teuer", sagt die Mutter der Braut. "Wir haben zwar keine großen Ansprüche, aber wir wollten unbedingt gern etwas Gold schenken, doch wir konnten nicht so viel geben, wie wir ursprünglich geplant hatten." Umso wichtiger, den auffälligen Brautschmuck in Szene zu setzen, jedes Detail wird sorgfältig festgehalten.

Indien ist nach China der größte Goldmarkt der Welt – doch hohe Preise dämpfen die Nachfrage. In den Juwelierläden, wie dem von Anmol Mangla, bleibt es zunehmend ruhig. Der internationale Goldpreis hat seit Monaten neue Höchststände erreicht – getrieben von Inflation, geopolitischen Spannungen und einer schwächelnden Weltwirtschaft. "Das Kaufverhalten hat sich verändert. Früher kauften die Leute zwei Schmuck-Sets – heute reicht es oft nur noch für eines. Der Kundenrückgang liegt bei rund 25 bis 30 Prozent."
Viele bringen nun altes Gold mit, sagt Juwelier Mangla, sie lassen es umarbeiten oder tauschen es ein. Auch, wenn es wehtut – wie bei Sushma und Bipan Bhat, Manglas nächsten Kunden. "Es war sehr schwer für mich, es abzugeben", sagt Sushma Bhat. "Weil ich es so viele Jahre lang sicher aufbewahrt habe. Es war ein Familien-Erbstück. Aber weil Gold so teuer geworden ist, ist es für mich schwierig geworden, es zu behalten." Ihr Mann sieht das Ganze etwas nüchterner: "Da wir uns kein neues Gold leisten können, ist der Tausch alternativlos.”

Gold ist in Indien mehr als nur Schmuck – es ist Wertanlage, Statussymbol und Glücksbringer. Viele Familien würden sogar ihr Haus beleihen oder einen Kredit aufnehmen, nur um Gold für eine Hochzeit kaufen zu können. "Gold wird nicht als Handelsware oder Schmuckstück betrachtet", sagt Juwelier Anmol Mangla. "In unserer Kultur wird Gold als Glücksbringer angesehen." Es gibt Dinge, auf die keine Familie verzichten kann. Das Mangalsutra – eine Hochzeitskette – gehört dazu. Für viele Paare, wie für Sushma und Bipan Bhat, ist sie unverhandelbar. "Ich kann auf diese Dinge nicht verzichten. Ich muss meine Tradition weiterführen. Ich bin gezwungen sie zu kaufen – für meine Kinder, für meine Schwiegertochter. Das ist sehr wichtig."
Ist die Tradition in Gefahr? 1s3br
In kaum einem Land sind die Auswirkungen so greifbar wie hier. Gold bedeutet vor allem Absicherung für die Frau. Steigt der Preis, gerät ein ganzes System ins Wanken – besonders bei Hochzeiten. "Der Goldbesitz indischer Frauen oder indischer Haushalte übersteigt den Gesamtgoldbesitz aller Zentralbanken der Welt, sogar bei weitem", erklärt Wirtschaftsexperte Subhomoy Bhattacharjee. "In Anbetracht dieser Tatsache ist natürlich klar, dass wir uns inmitten der größten Goldwirtschaft der Welt befinden. Das ist schon was." Indiens Gold-Faszination sei legendär, sagt Bhattacharjee. Und sie wächst: Aktuell spricht man von einer 3,8-Billionen-US-Dollar Wirtschaft, bis spätestens 2030 soll sie auf etwa acht Billionen anwachsen, sagt er. "Weltweit haben wir gesehen, dass die Renditen von Staatsanleihen ins Wanken geraten sind – besonders die US-Staatsanleihen gehörten zu den größten Verlierern. Auch Währungs- und Aktienmärkte lagen im Minus. Da ist es nur logisch, dass sich Anleger – in Indien wie weltweit– in Gold flüchten, als sicheren Hafen. Und seit Januar, als die Trump-Effekte die Märkte erschüttert haben, haben sich auch die Händler neu orientiert – und genau das hat den Goldpreis auf die explosiven Höchststände getrieben, die wir jetzt sehen."

Trotz aller finanzieller Belastung für die normalen Bürger: Der symbolische Wert bleibt. Für die Braut-Familie war es eine Frage der Ehre – aber sie hatte ihren Preis. "Ich musste bei den Ausgaben, wie Kleidung, kürzen, nur so war diese Hochzeit möglich", sagt der Vater der Braut. Beim Gold-Schmuck hat er noch mehr gekürzt. Statt der geplanten 40 Gramm konnte die Familie sich am Ende nur 25 leisten. Mona, die Tante des Bräutigams, spricht aus, was viele denken: "Wir werden wohl unsere Tradition ändern müssen. Wir werden künstliches Gold kaufen und tragen müssen. Nur Menschen, die viel Geld haben, können noch Gold kaufen. Wir wollen, dass der Goldpreis sinkt." Ein Satz, der fast wie ein Tabubruch klingt. Dass Gold auf indischen Hochzeiten eines Tages ganz verschwinden könnte – für die meisten unvorstellbar. "Früher konnten wir es uns leisten", sagt Hitesh Yadav, Bruder der Braut, "heute sind wir gezwungen weniger zu geben. Alle Preise steigen. Wir müssen härter arbeiten. Aber Gold ist eine reine Währung, ihr Wert sinkt nie." Gold bleibt – auch auf Hochzeiten ärmerer Familien. Vielleicht in kleinerer Menge, aber nie ganz ohne. Denn eine Hochzeit in Indien ohne Gold? Undenkbar.
Autorinnen: Franziska Amler und Susanne Petersohn, ARD-Studio Neu-Delhi
Stand: 12.05.2025 15:22 Uhr
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