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Ukraine: Angst vor Zöllen aus der EU 5t445z

Ukraine: Angst vor Zöllen aus der EU | Bild: IMAGO / ABACAPRESS

Seit 2022 haben die Großbauern der Ukraine freien Zugang zum EU-Markt. Für eine begrenzte Zeit wurden die Zollschranken aufgehoben, um der ukrainischen Wirtschaft zu helfen. Diese Sonderregel läuft am 5. Juni aus. Dann sollen wieder Zölle auf bestimmte ukrainische Agrarprodukte eingeführt werden. Das betrifft unter anderem Eier, Geflügel, Zucker, Mais, Hafer und Honig. Grund dafür sind die Proteste einiger EU-Länder, insbesondere Polen und Frankreich. Ukrainische Offizielle warnen, dass das Ende der Handelsprivilegien zu erheblichen Einnahmeverlusten führen könnte. Laut Danylo Hetmantsev, Vorsitzender im Finanzausschuss des ukrainischen Parlaments, könnte die Ukraine jährlich bis zu 3,5 Milliarden Euro an Exporterlösen verlieren, wenn die EU-Handelserleichterungen auslaufen. 73493a

Ende des zollfreien Exports für die Ukraine 5v5h4v

Getreide – die Ukraine hat viel davon. Und die Wirtschaft des Landes lebt davon. Ein Ziel, das Russland mit seinem Krieg verfolgt: die Kornkammer der Welt zu isolieren. Angriffe und die Blockade ukrainischer Häfen haben 2022 zu massiven Einbrüchen beim Export geführt. Oleksandr Tymoschenko und seine Kollegen konnten ihre vollen Getreidesilos nur dank der Europäischen Union leeren. Die Ukraine hat freien Zugang zum EU-Markt bekommen, durfte landwirtschaftliche Produkte ohne Begrenzung zollfrei in die EU exportieren. "Als die EU alle Zölle und Kontingente aufhob, sind wir auch nach Europa gefahren. Über Rumänien und Polen", sagt Oleksandr Tymoschenko. "Wir haben eine Menge Getreide nach Litauen transportiert. Wir haben direkte Verträge mit europäischen Unternehmen abgeschlossen, die es uns ermöglicht haben, unsere landwirtschaftlichen Erzeugnisse ohne Verluste zu verkaufen."

Getreidesilo
Die Ukraine ist abhängig vom Getreideexport  | Bild: SWR

Oleksandr Tymoschenko ist Kaufmännischer Leiter bei 'Agrar.Region'. Das ukrainische Landwirtschaftsunternehmen beackert 41.000 Hektar Land, exportiert mehr als 200.000 Tonnen Getreide im Jahr. Sie haben sich anget, einen großen Teil ihres Getreides über Straße und Schiene nach Europa exportiert. Doch jetzt hat die EU beschlossen: Die Sonderregelung läuft am 5. Juni aus. Für Landwirte wie Oleksandr Tymoschenko bedeutet das: "Wir können weniger exportieren. Oder wir können mehr exportieren, aber dann müssen wir zusätzliche Zölle zahlen. Und dann wird unser Getreide auf den europäischen Märkten nicht wettbewerbsfähig sein, weil wir viel teurer sein werden als anderes Getreide. Wir werden keine gleichen Wettbewerbsbedingungen haben.”

Suche nach neuen Absatzmöglichkeiten 3c1o3w

Die ukrainische Landwirtschaft ist enttäuscht von der Europäischen Union. "Natürlich gibt es ein Gefühl der Ungerechtigkeit. Denn wir teilen europäische Werte. Der Krieg hat deswegen begonnen, weil die Ukraine angefangen hat, sich in Richtung EU zu orientieren. Und die EU behandelt uns jetzt so. Es stellt sich heraus, dass all unsere Bemühungen um die europäische Integration jetzt vor eine Wand stoßen." Tymoschenko setzt darauf, dass die ukrainische Regierung doch noch einen Ausweg findet.

Hochrangige Vertreter aus dem Agrarministerium sind aktuell im europäischen Ausland unterwegs, um Kompromisse auszuloten. Ihre Botschaft: Der ukrainische Agrarsektor ist Partner, nicht Konkurrent. "Die Ukraine liefert acht Prozent der Lebensmittelimporte der Europäischen Union", erklärt Taras Wysozkyj, stellvertretender Agrarminister der Ukraine. "Diese Zahl ist also nicht bedrohlich. Im Gegenteil: Wir leisten einen systematischen und dauerhaften Beitrag zur europäischen Ernährungssicherheit und sind bereit, diese Partnerschaft auszubauen."

Frachtschiff mit Geschütz im Vordergrund
Getreideexport mit militiärischem Schutz  | Bild: SWR

Dass die Ukraine die Wiedereinführung europäischer Zölle abwenden kann, ist unwahrscheinlich. Umso wichtiger ist das Schwarze Meer: Mit Hilfe westlicher Flugabwehrsysteme und mobiler Einheiten auf dem Meer gelingt es der Ukraine inzwischen, fast 90 Prozent der eigenen Agrarprodukte über den Seeweg zu exportieren. "Die Ukraine wird jetzt nach Absatzmöglichkeiten für drei bis vier Millionen Tonnen Weizen suchen müssen, da sie aufgrund der hohen Zölle, die über die festgelegten Quoten hinausgehen, nicht mehr in der Lage sein wird, diese in die EU zu liefern", so Agrarexpertin Victoria Blaschko. Konkret gehe es für die Ukraine nun darum, auf die Märkte in Südostasien und Nordafrika zurückzukehren. "Und das bedeutet, dass man nach Käufern suchen muss – vielleicht auch mit Dumpingpreisen, um den harten Wettbewerb auf dem Weltmarkt zu gewinnen. Die Weizenexporteure und -produzenten könnten also einige Schwierigkeiten bekommen, Verluste eingeschlossen."

Angriffe Russlands auf die ukrainische Wirtschaft u1t3c

Auf der einen Seite drohen europäische Zölle, auf der anderen Seite greift Russland die ukrainische Wirtschaft gezielt an. Trotz Luftverteidigung versucht die russische Armee weiter, Hafeninfrastruktur zu zerstören, Getreide zu vernichten. Auch in dieser Woche. Landwirt Oleksandr Tymoschenko zeigt uns die Folgen eines russischen Drohnenangriffs auf dem Gelände seines Unternehmens. Einige Wochen sei das her und glücklicherweise wurde niemand verletzt. Für Tymoschenko sind Angriffe wie dieser ein Beweis dafür, dass Russland kein Interesse an Frieden habe. "Seit die Verhandlungen angefangen haben, seit Amerika all diese diplomatischen Anstrengungen unternommen hat, um die Kämpfe zu beenden, sehen wir, dass die Russen ihre Angriffe auf die Wirtschaft, auf unternehmerische Aktivitäten gerichtet haben."

Oleksandr Tymoschenko, Kaufmännischer Leiter bei 'Agro.Region'
Oleksandr Tymoschenko wünscht sich mehr Solidarität von Europa | Bild: SWR

Tymoschenko und seine Kollegen machen trotzdem weiter. Gerade kämpfen sie auf ihren Feldern gegen das Unkraut und hoffen auf eine gute Ernte. Im vergangenen Jahr haben sie etwa 40 Prozent davon in die EU verkauft. Wie viel es in diesem Jahr wird, weiß Oleksandr Tymoschenko nicht, aber in jedem Fall um einiges weniger. Was er sich für die Zukunft wünscht, ist mehr Solidarität von Europa. "Wir hätten gerne die gleichen Chancen, als ein Bestandteil der europäischen Welt. Aber gerade gehören wir weder zur europäischen noch zu einer anderen Welt." Ein Teil von Europa sein – mit allen Rechten und Pflichten. Das ist es, wonach sie in der Ukraine streben. Und deshalb hoffen die Landwirte auf eine nachhaltige Einigung mit der Europäischen Union.

Autor: Vassili Golod, ARD-Studio Kyjiw

Stand: 26.05.2025 08:16 Uhr

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