So., 25.05.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Südafrika: Was ist dran am "Völkermord"? 4s4qr
Am Mittwoch führt US-Präsident Trump seinen südafrikanischen Kollegen Ramaphosa vor. Wirft ihm erneut "Völkermord an den weißen Südafrikanern" vor. Ein absurder Vorwurf für alle, die die Realität in Südafrika kennen. Die Volksgruppe, auf die sich der US-Präsident bezieht, nennt man ‚Buren‘, sie selbst bezeichnen sich auch als ‚Afrikaaner‘. Sie sind die Nachfahren der meist niederländischen Einwanderer, die seit Mitte des 17. Jahrhunderts im südlichen Afrika leben. Von 1948 bis 1994 regierten sie das Land und nannten ihre Politik der Rassentrennung ‚Apartheid‘. Wer sind diese ‚Afrikaaner‘? Und wie leben sie? Fühlen sie sich verfolgt? 1v2n2v
Völkermord oder gewöhnliche Verbrechen? 1p1x1n

Eric Botha ist wachsam. Immer. Denn der 38jährige Farmer fühlt sich bedroht. Ist deshalb bewaffnet. Trägt die Waffe Tag und Nacht. "Da hinten, auf dem Hügel, da wurde der alte Vonkie ermordet, in seiner Badewanne. Da drüben war ein anderer Überfall. Und hier, nicht einmal 15 Kilometer entfernt, wurden die van Niekerks überfallen." Er züchtet Rinder, in der Provinz Free State. Sein Haus hat er mit Elektrozaun und Überwachungskameras ausgestattet. Zu viele Überfälle auf weiße Farmer in Südafrika, sagt er. Sie sind überzeugt, Opfer eines Völkermords zu sein, eines gezielten Angriffs auf weiße Farmer, mit dem Ziel, sie auszulöschen. Die Worte Donald Trumps im Weißen Haus haben sie sehr gerne gehört. "Natürlich ist das ein Völkermord. Es werden mehr weiße Farmer ermordet in diesem Land als Polizisten oder Menschen mit anderen Berufen. Die Volksgruppe der weißen Afrikaaner ist weitaus häufiger Opfer von Morden, als jede andere Gruppe weltweit."
Auf der Bakang-Farm in der Provinz North West sind sie völlig anderer Meinung. Diese Farm gehört schwarzen Südafrikanern. Der Vater von Inhaberin Mosidi Morule wurde vor zwei Jahren überfallen. Er hatte innere Blutungen, sie wurden zunächst nicht bemerkt. Monate später erlag er seinen Verletzungen. Seine Tochter Mosidi hat Vorsichtsmaßnahmen ergriffen. "Regelmäßig wechseln sich jetzt Verwandte von mir ab und bleiben mit mir auf der Farm. Die Gangster sollen wissen, dass mehrere Menschen auf dem Gelände sind. Meine Nachbarin, die überfallen worden ist, die war allein gewesen. Und auch mein Vater war allein, als er angegriffen wurde."

Die Farm war ihrem Vater schon zu Zeiten der Apartheid-Regierung übergeben worden, 1985. Die damalige weiße Regierung hatte sogenannte "Homelands" eingerichtet, in denen nur Schwarze lebten. Farmmorde, sagt Mosidi Morule, gibt es überall in Südafrika. Dabei gehe es aber nicht wirklich um die Hautfarbe, es gehe nur um Geld. "Völkermord, das ist ein großes Wort. Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden. Hier geht es um ganz gewöhnliche Verbrechen, und wir Farmer sind die Ziele, egal welche Hautfarbe. Die Gangster glauben, wir haben Geld zuhause. Da geht es wirklich nicht um Völkermord."
Weiße Minderheit mit Wagenburg-Mentalität 1b2q46
Die Völkerrechts-Expertin Mispa Roux vom "Johannesburg Holocaust & Genocide Centre" sagt, die Hürden beim Völkerrechts-Vorwurf seien sehr hoch. Es komme weniger auf die Zahl der getöteten Menschen an, sondern vor allem, ob die Täter vorhätten, eine gesamte Volksgruppe auszulöschen. "Es muss eindeutig eine Absicht erkennbar sein, und damit unterscheidet sich Völkermord von anderen Verbrechen. Man muss die Absicht beweisen können. Am besten, indem eine eindeutig formulierte Politik vorliegt, so wie man das beim Völkermord der Nazis an den Juden gesehen hat."

Diese Absicht wurde in Südafrika bisher nicht geäußert. Und dennoch nutzen viele weiße Südafrikaner den Begriff, auch als Kampfbegriff. Ihre Vorfahren kamen Mitte des 17. Jahrhunderts im südlichen Afrika an. Sie errichteten eine Festung, die heute noch existiert, nannten ihre Siedlung Kapstadt. Entwickelten eine eigene Architektur, orientiert an den Niederlanden. Drangen nach und nach mit Ochsenwagen ins Landesinnere vor. Eine eigene Kultur entstand. Streng christlich, mit eigener Musik, eigener Literatur, eigener Sprache, das sogenannte Afrikaans. Verfolgt fühlten sie sich von Anfang an, eine Wagenburg-Mentalität entwickelte sich. Eine weiße Minderheit, umgeben von Schwarzen.
Apartheid: Die Minderheit an der Macht 3f4650
1948 kam die Minderheit an die Macht. Entwickelte das System der Rassentrennung, die sogenannte Apartheid. Die Minderheit unterdrückte die Mehrheit. Anfang der Neunziger Jahre brach das Apartheidregime zusammen. Die schwarze Mehrheit übernahm die Macht. Der letzte weiße Präsident sah, wie seine Leute sich in die Wagenburg zurückzogen. Seit langem nennen sie sich "Afrikaaner", als Zeichen dafür, dass sie mit Europa nichts zu tun haben wollen. Louisa Stoker arbeitet in einer Afrikaans-Hochschule in der Hauptstadt Pretoria. "Eine der wichtigen Säulen unserer Identität ist der christliche Glauben. Eine andere Säule ist unsere Sprache. Wir beschäftigen uns mit ihr, wir lehren sie, egal ob in Kindergärten, in Schulen, oder in unseren Universitäten. Das ist uns wichtig." Sie hat nicht vor, auszuwandern. Ihr Platz sei in Südafrika.

An der Völkermord-These zweifelt sie, obwohl viele der Verbrechen entsetzlich seien. "Allein die Vorstellung, dass jede Woche ein Farmer ermordet würde, auf grauenvolle Weise, und auch seine Frau, seine Kinder! An den Wänden die Worte: 'Tötet die Farmer', geschrieben mit Blut! Es ist hart, aber wäre das schon Völkermord? Ich weiß es wirklich nicht." Eric Botha kennt Louisa Stoker nicht. Aber er würde ihr heftig widersprechen. Für ihn hat der US-amerikanische Präsident recht. Obwohl der keine Beweise vorgelegt hat. Und so bleibt die Völkermord-Frage ungelöst, im Vielvölkerstaat Südafrika.
Autor: Richard Klug, ARD-Studio Johannesburg
Hierzu der Weltspiegel Podcast: "Südafrika: Trump und die weißen Flüchtlinge" mit Stephan Ueberbach und Birgit Eger, Redaktion: Steffi Fetz, Host: Joana Jäschke. In der ARD-Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
Stand: 25.05.2025 21:11 Uhr
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